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Roosevelts Krieg – Folge 4

Historiker Gerhard Bracke

führt weiter aus:

Geschichtspolitik im Widerstreit mit dem Willen zur Sachlichkeit

Die hier aufgezeigte globale Geschichtsbetrachtung löst ohne Frage vielfach, zumal bei akademisch Gebildeten, zwiespältige Eindrücke aus und macht zumindest „ratlos“.

Deshalb sucht man im Internet nach Äußerungen über den Historiker Dirk Bavendamm, die Zweifel an dessen wissenschaftlicher Redlichkeit enthalten könnten.

Und da findet man eine – „von ihrem tendenziösen Tenor einmal abgesehen“  –   Rezension von Bernd Greiner in der ZEIT (wie könnte es anders sein) vom 3.12.93. Die Ergebnisse der erweiterten Neuauflage des Buches von 1998 sind darin zwar nicht berücksichtigt, an der Tendenz würde sich aber ohnehin nichts ändern, wie die Überschrift bereits deutlich macht:

Wie ein amerikanischer Präsident dazu herhalten muß, Hitler von der Kriegsschuld zu entlasten.

Der Leser soll wissen, daß er ein solches Buch gar nicht erst zu lesen braucht, daß er auf eine Lektüre besser verzichtet, „wo die Täter als Opfer daherkommen“, und das in einer Zeit, wo „zivilisierte Deutsche“ (hämisch zitiert) „ eine Blutspur quer durch Europa legten.“

Roosevelt, „ein Politiker, der gemeinhin als Friedenspräsident gewürdigt wird“,  ist für Bavendamm „nichts als ein ordinärer Kriegstreiber.“ In diesem Stil breitet sich der deutsche Selbsthaß über den ganzen Text aus.

Eigentlich  ist es durchaus nicht verwunderlich, wenn aus Gründen politischer Korrektheit Zweifel an der wissenschaftlichen Redlichkeit eines Historikers geäußert werden, dessen Fokussierung vom üblichen Verfahren abweicht und der Entstehung sowie Ausweitung des Zweiten Weltkrieges in größeren Zusammenhängen zu betrachten wagt.

Der „Revisionismus“-Vorwurf

liegt auf der Hand, obwohl es sich keinesfalls so verhält, daß der „Revisionist“ nicht auch erkennt und verurteilt, was andere nur und ausschließlich betrachten.

Dabei ist der Revisionismus ein unverzichtbares Prinzip jeder Wissenschaftlichkeit, die nicht beim einmal Erforschten stehenbleiben will, sobald andere Voraussetzungen in der Quellenlage dazu herausfordern.

Wenn Roosevelts Krieg thematisiert wird, dann stehen selbstverständlich weder die NS-Verbrechen noch Stalins Massenmorde, weder Hitlers noch Stalins Rolle bei der Entfesselung des Zweiten Weltkrieges im Zentrum der Untersuchung, ohne jedoch deswegen relativiert oder gar aus dem Geschichtsbewußtsein getilgt zu werden.

Immerhin war es einer der renommiertesten Historiker der USA, Charles Callan Tansill, der 1952 unter dem Titel „Back Door to War“ eine umfassende Studie über die Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges aus amerikanischer Sicht herausbrachte.

Tansill war aber nicht nur Professor für Geschichte der amerikanischen Diplomatie an der Georgetown University und ein Jahrzehnt Berater für Diplomatiegeschichte beim Senate Committee on Foreign Relations.

Er durfte vielmehr aufgrund seines Ansehens Einsicht nehmen in die vertraulichen Dokumente des State Departement, was nach Veröffentlichung seines Buches keinem revisionistischen Historiker mehr gestattet wurde.

Nach dem Urteil des deutschen Historikers Walter Post kann Tansills Werk über die internationale Diplomatie zwischen Versailles und Pearl Harbor bis heute als revisionistisches Standardwerk zur Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges gelten.

1953 veröffentlichte Harry Elmar Barnes einen Sammelband mit Beiträgen u. a. von Percy L. Greaves, George Morgenstern und Charles Callan Tansill,

eine vernichtende Kritik an der amerikanischen Außenpolitik unter den Präsidenten Roosevelt und Truman. (ebd.)

Hatte der Revisionismus nach dem Ersten Weltkrieg wesentlich dazu beigetragen, daß die Präsidenten Coolidge und Hoover zu einer auf den amerikanischen Doppelkontinent konzentrierten Außenpolitik zurückkehrten, die ihr Ziel in der übrigen Welt in der Erhaltung des Friedens sah, traf der Revisionismus nach dem Zweiten Weltkrieg auf weitaus härteren Widerstand als in den Jahren nach 1918. Walter Post argumentiert:

Der Grund war darin zu suchen, daß die amerikanische Politik in den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges weitaus stärker verwickelt war als in die Vorgeschichte des großen Krieges von 1914, und daß mächtige Interessengruppen die Mythen der Kriegspropaganda  aufrecht(zu)erhalten suchten, von denen sie ihre politische Legitimation ableiteten.

Nach der Untersuchung des Angriffs auf Pearl Harbor durch den Kongreß war zwar eine große Anzahl revisionistischer Bücher in den USA erschienen, doch blieben sie der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt.

  • Außerdem erhielten ihre Autoren keinen Zugang zu den staatlichen Archiven, Verleger wurden eingeschüchtert und mit Boykott bedroht.
  • Die einflußreichen amerikanischen Buchklubs weigerten sich, revisionistische Bücher ins Programm aufzunehmen, und selbstverständlich wurden diese auch in der Presse totgeschwiegen.
  • Der Opportunismus gegenüber der vorherrschenden politischen Richtung oder auch nur persönliche Interessen waren oft die Motive angepaßter Historiker, die Barnes daher als „Court Historians“ (Hofhistoriker) bezeichnete.

Die meisten Vertreter der offiziellen Geschichtsschreibung, jene „Court Historians“ hierzulande, erinnern in ihrem Verhalten an den

„Brotgelehrten“, wie ihn Friedrich Schiller in seiner Jenaer Antrittsvorlesung vom 16. Mai 1789 „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?“ dem „philosophischen Kopf“ gegenübergestellt hat.

Friedrich Schiller

Über den Brotgelehrten heißt es da treffend:

Jede Erweiterung seiner Brotwissenschaft beunruhigt ihn, weil sie ihm neue Arbeit zusendet oder die vergangene unnütz macht; jede wichtige Neuerung schreckt ihn auf, denn sie zerbricht die alte Schulform, die er sich so mühsam zu eigen machte, sie setzt ihn in Gefahr, die ganze Arbeit seines vorigen Lebens zu verlieren.

Wer hat über Reformatoren mehr geschrieen als der Haufe der Brotgelehrten?

Wer hält den Fortgang nützlicher Revolutionen im Reich des Wissens mehr auf als eben diese?

Jedes Licht, das durch ein glückliches Genie, in welcher Wissenschaft es sei, angezündet wird, macht ihre Dürftigkeit sichtbar; sie fechten mit Erbitterung, mit Heimtücke, mit Verzweiflung, weil sie bei dem Schulsystem, das sie verteidigen, zugleich für ihr ganzes Dasein fechten.

Darum kein unversöhnlicherer Feind, kein neidischerer Amtsgehilfe, kein bereitwilligerer Ketzermacher als der Brotgelehrte.

Einen geradezu klassischen Fall von Verketzerung stellte bundesweit in den achtziger Jahren der sog. „Historikerstreit“ dar, als der renommierte und als Faschismus-Forscher international anerkannte Prof. Nolte in einem von der FAZ veröffentlichten Vortrag es wagte, seine geistige Unabhängigkeit unter Beweis zu stellen.

Ausgerechnet ein Nichthistoriker und Vertreter der Frankfurter Schule, Habermas, löste nach diesem Artikel einen Sturm der Empörung aus, in dessen Verlauf auch unumstrittene wie ausgewiesene Fachvertreter  wie Prof. Hillgruber und Michael Stürmer gleich mit ins gesellschaftliche Abseits verdammt wurden, sich ihre wissenschaftliche Redlichkeit in Frage stellen lassen mußten.

Ähnliches widerfuhr dem als Buchautor überaus erfolgreichen Erlanger Historiker Prof. Hellmut Diwald.

Solange seine umfangreichen, einen beachtlichen Wissensfundus offenbarenden Biographien

  • „Wallenstein“ (1969),
  • „Luther“ (1982),
  • „Heinrich der Erste“ (1987) oder
  • „Die Erben Poseidons – Seemachtpolitik im 20. Jahrhundert“ (1984)

ihn als glänzenden Geschichtsschreiber auswiesen, wurde Diwald allgemein hochgeschätzt.

Zwar mußte bereits seine „Geschichte der Deutschen“ (1978) mit nahezu 800 Seiten in der zweiten Auflage um zwei Ärger erregende Seiten verkürzt erscheinen, doch ausgesprochen unbeliebt machte sich Diwald mit seinen kritischen Analysen „Mut zur Geschichte“ (1983) und „Deutschland einig Vaterland. Geschichte unserer Gegenwart“ (1990).

Nach seinem allzu frühen Tod 1993 erschien in der FAZ ein extrem gehässiger „Nachruf“.

Kaum ein anderer führender Historiker hat seinen gleichgeschalteten Kollegen so offenkundig den Spiegel vorgehalten, daß eine vollkommene Ächtung zu erwarten war, wenn man an Schillers Worte denkt. Dazu trugen nicht zuletzt Aussagen bei wie diese:

Die Entscheidung, in der historischen Arbeit auf die Demutsgeste als Mittel der Anbiederung zu verzichten, schließt eine bestimmte Haltung ein.

Die herrschende Zeitlage, ihre Meinungen und Schwankungen haben nichts mit dem Willen zu rigoroser Sachlichkeit zu tun, ohne den sich unsere Geschichte nicht wiedergewinnen und unsere Selbstklärung nicht voranbringen läßt.

Ein Volk, das sich seiner Vergangenheit berauben, seine Erinnerung verzerren und seinen Selbstwert verstümmeln läßt, entwurzelt seine Existenz. („Mut zur Geschichte“, S. 8)

Geschichtsschreibung schloß zu allen Zeiten auch eine  moralische Bilanz ein.

Doch erst nach 1945 trat sie bei den Deutschen in den Dienst einer Selbstdiskriminierung. (ebd., S. 258)

Aber warum spricht Diwald vom „Wiedergewinnen“ unserer Geschichte?

Mit dieser Frage rückt der wahre Kern einer politisch korrekt vorgehenden Geschichtsbetrachtung ins Blickfeld.

Es geht letzten Endes um die strikte Bewahrung und Befolgung dessen, was als IMT-Geschichtsbild von Nürnberg wie ein Dogma bedingungslos zu beachten ist.

Seit der Antike schreibt der Sieger bekanntlich die Geschichte,

aber hier geht es um viel mehr, wie der Politologe Prof. Dr. Theodor Eschenburg schon vor Jahrzehnten unmißverständlich festschrieb:

Wer die Alleinschuld Deutschlands für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in Frage stellt, entzieht der Nachkriegspolitik der Bundesrepublik den Boden.

Mit erfreulicher Offenheit lieferte der amerikanische Publizist Walter Lippmann dafür die Begründung:

Erst wenn die Kriegspropaganda der Sieger Eingang in die Geschichtsbücher der Besiegten gefunden hat und von der nachfolgenden Generation auch geglaubt (!) wird, kann die Umerziehung als gelungen angesehen werden.

Damit ist aber auch deutlich zum Ausdruck gebracht, daß es bei der vielzitierten „reeducation“ nicht primär um Erziehung zur Demokratie gehen sollte, sondern um die auf alliierter (einschließlich sowjetischer) Kriegspropaganda beruhende Geschichtsschreibung, um die ausschließliche Deutungshoheit über unsere Geschichte.

Damit ist ebenso für alle Zeiten die Tabuisierung ganzer Fragenkomplexe vorgegeben.

Treffend bemerkte zu diesem bekannten Lippmann-Zitat der Historiker Prof. Diwald:

Wie rasch diese Fremdbestimmung in Deutschland in der Öffentlichkeit und in den Medien Boden gewann, zeigt sich besonders daran, daß es seit Jahrzehnten Brauch wurde, sie nicht mehr als Fremdbestimmung zu registrieren. („Deutschland einig Vaterland“, S. 98)

Diese 1941 in der US-Zeitschrift „Life“ veröffentlichte Karte sollte einen angeblichen Plan der Achsenmächte zur Eroberung des amerikanischen Kontinents illustrieren.

Mit dieser

Phantasiekarte

versuchte die Roosevelt-Administration im Sommer 1941 einen angeblich bevorstehenden Angriff der Achsenmächte auf die USA zu suggerieren und die amerikanische Öffentlichkeit zu mobilisieren.

Zwar tauchte der behauptete Plan weder im Nürnberger Prozeß noch sonstwo in der Nachkriegsliteratur auf, das hindert jedoch nicht daran, in fast jeder TV-“Dokumentation“ den unkritischen Zuschauern einzureden, der Zweite Weltkrieg sei auf Deutschlands Streben nach „Weltherrschaft“ zurückzuführen.

Jeder militärhistorisch einigermaßen informierte Betrachter erkennt bei dieser Karte das Irreale der Lügenpropaganda.

Indes: eine bessere Veranschaulichung der Lippmann-Aussage zur Umerziehung ist kaum vorstellbar.

Zum politisch gewollten geistigen Stillstand auf dem Gebiet der Geschichtsforschung bietet sich eine geschichtliche Parallele aus dem 17. Jahrhundert an.

Galileo Gelilei (1564 – 1642), der als Begründer der modernen Naturwissenschaft der experimentell-induktiven Forschungsmethode endgültig zum Durchbruch verhalf und sich für das heliozentrische Weltbild des Kopernikus einsetzte, das mit dem Glauben der mächtigen Kirche und der Bibel nicht vereinbar war, wurde 1633 von der Inquisition zum Widerrruf seiner Erkenntnisse gezwungen.

Statt Widerruf genügt heute im Falle einer um die Komplexität von Tatsachen bemühten revisionistischen Geschichtsschreibung

  • das Ignorieren und Verächtlichmachen dogmenwidriger Erkenntnisse,
  • die politische und gesellschaftliche Ausgrenzung, Diffamierung und Herabsetzung ihrer Verfechter.

Um so mehr bleibt es innere Verpflichtung, unter Berufung auf die Forderung des Philosophen Immanuel Kant den Mut aufzubringen, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen und – im Sinne der eigentlichen Aufgabe des Historikers – stets den Tatsachen gegenüber „volkspädagogischen“ Bedenken den Vorrang einzuräumen.

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